Das Theater am Lend (fast) in Flammen

Gespannte Stille. Ein Sesselkreis. In der Mitte: Ein Tisch und ein von der Decke hängendes Mikrophon. Das war die Ausgangssituation für das unkonventionelle Stück „Der Staat“, welches es von Bulgarien bis nach Graz in das Theater am Lend geschafft hat.

2013 hat sich Plamen vor dem Landtag in Varna verbrannt, um ein Zeichen zu setzen. Ein durchschnittlicher Bürger in Bulgarien. Die katastrophale Situation der Sozialpolitik hat ihn dazu gebracht. Er war nicht der erste und er war auch nicht der letzte, der sich verbrannt hat. Er hat keinen Brief hinterlassen, zumindest wurde keiner gefunden. Alexander Manuiloff hat sich der Geschichte Plamens angenommen. Er hat Briefe geschrieben. Einfache unbeschriftete Briefumschläge mit Briefen, welche die letzten Tage vor Plamens Selbstverbrennung nachzeichnen. Damit aber das Leben von Plamen nicht ungehört bleibt, oder als dramatische Inszenierung auf einer Bühne an uns unbeteiligt vorbeigeht macht das Publikum zu Beteiligten, die den Verlauf des Stückes bestimmen.

Der Sesselkreis als solches ist nichts was man auf einer Bühne als Publikumsraum kennt. In dem Fall befindet sich die Bühne dann in der Mitte und das Publikum sitzt um die Schauspieler herum. Aber es gibt keine Schauspieler. Nur einen Tisch, mit einer Box und jeder Menge Briefen. Briefe wie sie Plamen hätte schreiben können, vor seinem Tod. Und Briefe über das Theater.
Diese Dinge weiß man erst, wenn jemand den ersten Schritt macht und einen der Briefe öffnet. Kein Schauspieler. Einer aus dem Publikum. Ob er ihn tatsächlich vorliest oder ihn mit zu seinem Platz nimmt, bleibt ihm überlassen. Daher verläuft jeder Abend dieses Stücks zufällig. Die Briefe werden in einer zufälligen Reihenfolge geöffnet. Oder auch nicht. Das Stück verläuft so wie es das Publikum entscheidet.

Es ist eine neue Art des Theaters. In Graz gibt es diese Form schon ab und an. Etwa bei „Libertalia 2.0“ oder auch „Das Alte Teststament“, auch diese Stücke funktionieren nur mit der Beteiligung des Publikums. „Der Staat“ von Alexander Manuiloff geht aber weiter. Es gibt niemanden, der eine Rolle hat. Es gibt niemanden der in irgendeiner Weise das Stück beeinflusst – außer das Publikum selbst. Es kann alles passieren. Im schlimmsten Fall, schweigt jeder und niemand traut sich zu handeln. Aber auch das ist in Ordnung für Alexander Manuiloff. Denn im Endeffekt geht es darum, dass das Publikum selbst entscheiden muss, wie es mit dem Stück umgehen will und sich nicht berieseln lassen kann von einem Schauspiel, auf das es keinen Einfluss hat.

Die Reaktionen im Theater am Lend waren unterschiedlich. Es wurden Briefe gestohlen und versteckt. Vieles wurde unkommentiert vorgelesen. Die Box in der die Briefe lagen wurde gefangen genommen und wurde heldenhaft wieder befreit. Und am Ende stand der Mistkübel mit allen gelesenen Briefen auf dem Tisch und sollte angezündet werden. Es hätte uns niemand daran gehindert.

Von Anatina Riester

Libertalia 2.0 – Diskutieren, debattieren, definieren

Wenn das Publikum die Show macht, ist das ein risikoreiches Unterfangen für den Stückentwickler. Philipp P. Ehmann hatte in diesem Fall aber Glück, da die auserwählten Diskutant*innen ihre spontan vergebenen Rollen ausgezeichnet und mit voller Diskussionsbereitschaft verkörperten.

Treffpunkt war das Foyer des Schauspielhauses am 06. Juni wo ein junger, konservativ gekleideter Mann, die Teilnehmer empfing und, nach einer kurzen Ansprache, von dort aus an eine andere Location brachte. In einem großen Saal waren, sowohl für die neu erkorenen Politiker, als auch deren Publikum ein Podium mit Sesseln bereitgestellt. Eine kurze Erläuterung der Spielregeln hat sofort klar gemacht: heute solls zur Sache gehen. Das Publikum konnte Aktionskarten einsetzen, um die Redner vom Sprechen abzuhalten oder selbst einen Platz am Podium einzunehmen.
Thema des Abends war Gleichberechtigung im neuen Staat Libertalia 2.0 und Ziel war es, einen Gesetzesvorschlag zu formulieren, der schon vorhanden war, aber an dem noch gefeilscht werden musste, bis alle Diskutant*innen damit einverstanden waren.

Nachdem sich die spontan ernannten Schauspieler etwas aufgewärmt hatten, ging es auch schon fleißig los mit der Diskussion und es wurde sich an einzelnen Worten aufgehängt, über bestimmte Phrasen debattiert und erörtert, warum was nicht so formuliert sein sollte. Das Publikum war im ersten Zeitblock noch sehr verhalten und so plätscherte der Abend ein wenig dahin. Nachdem das Publikum begriffen hatte, dass es den Diskutant*innen ein wenig schwer fiel zu Ergebnissen zu kommen, wurden mehr Aktionskarten ausgespielt und sich mehr eingemischt.

Das spannende Experiment wurde nach über einer Stunde konferieren, besprechen und verhandeln beendet und der unvollständige Gesetzesvorschlag wurde vom Publikum bei einer Blitzwahl angenommen. Danach wurde den Teilnehmern vom jungen Herrn mitgeteilt, das Experiment habe Früchte getragen und sie wurden in ihr normales Leben entlassen.

Ein sehr spannender Abend, dessen Hintergrundgedanke es vermutlich war, mehr Zwiespalt in die Runde zu bringen und mehr Diskussionen hervorzurufen. Da aber das Publikum offensichtlich für Gleichberechtigung im Staat Libertalia 2.0 war und die Gesetzesvorschläge harte Brocken waren, war der Abend definitiv etwas anderes. Ob das auch das Ziel des Stück-Entwicklers Philipp J. Ehmann und den Dramaturginnen Elisabeth Geyer und Jennifer Weiss war, bleibt unklar.

Von Stefanie Lorber

Glaube zu hinterfragen

Islam und Glaube verbunden mit der Geschichte einer sich liebenden Familie: Das Ergebnis ist „The Who and The What“ von Ayad Akhtar, das unter der Regie von Jan Stephan Schmieding am Grazer Schauspielhaus aufgeführt wurde.

Die eine Tochter mit Liebeskummer und Schreibblockade, die andere in Hochzeitsplanung mit ihrem Freund, doch Schwärmerei für ihren Tutor. Ein Vater am Glasfaser-Puls der Zeit, der das Beste für seine Töchter will. Soweit eine eher vertraute familiäre Situation. Indem Ayad Akhtar die Islamdiskussion in eine Familiengeschichte einbettet, mit der sich viele identifizieren können, macht er das Thema zugänglicher. Feinfühlig und humorvoll zeichnet der Autor vier Charaktere, deren Einstellungen zum Glauben unterschiedlicher kaum sein könnten. Zarina (Henriette Blumenau), die ältere Tochter, eine selbstbewusst-feministische Muslimin, arbeitet an einem kritischen Buch über den Propheten. Ihre jüngere Schwester Mahwish (Tamara Semzov) sucht nach Schlupflöchern in einem strengen Glauben und nach Rat bei Zarina. Der Vater Afzal (Stefan Suske), ein gläubiger Muslim, lebt aber zerrissen zwischen Liberalität und strenger Religiosität. Das wird auch in einem kleinen Detail im Bühnenbild (Frank Holldack) widergespiegelt, das ansonsten mit türkisen Polstermöbeln im 60er-Jahre Stil recht schlicht gehalten ist: Eine halbvolle Flasche Cognac steht am Sideboard. Einerseits sehr wertkonservativ, verbot Afzal seiner Tochter die Heirat eines Andersgläubigen. Andererseits sehr modern, und um seinen Fehler wieder gut zu machen, sucht er auf einem Online-Dating-Portal nach einem neuen Mann für Zarina. Den findet er schließlich in Eli (Nico Link), einem konvertierten Muslim, der sie bewundert und unterstützt. Die unterschiedlichen Haltungen der Charaktere prallen im Stück oft aufeinander und gipfeln in der Veröffentlichung von Zarinas Buch, welche die Familie in Chaos stürzt. Der Schluss bleibt offen: zwar scheint er versöhnlich, doch bleibt unklar, inwieweit die Figuren zum Überdenken ihrer Einstellungen bereit sind.

„The Who and The What“ behandelt ein heikles Thema mit Leichtigkeit, Selbstironie und viel Hintergrundwissen. In Nebensätzen werden ganze Geschichten erzählt und Gänsehaut erzeugt. In einigen Situationen kann das Publikum die entstandene Spannung mit einem Lachen lösen. Das Stück regt zum Nachdenken an, ohne zu belehren. Vor allem animiert er mit der speziellen Wahl seiner Figuren und der Umstände, sich in die Charaktere hineinzufühlen.

Die Nähe zur Bühne und den Schauspielern im Haus 2 ist von Vorteil: Der Zuseher wird in die Privatsphäre der Charaktere hineingezogen und kann direkt am intimen Familienleben teilhaben. Auch eine schauspielerische Herausforderung – jede Mimik und Gestik ist sichtbar- die von den vier Darstellern exzellent gemeistert wurde. Sie erweckten die Figuren auf der Bühne zum Leben. Mancher Wortwechsel mutet eventuell als Small Talk an, doch: In diesem Stück hat jedes Wort Gewicht. Ayad Akhtar überbringt seine Message subtil, sodass sie dem Zuseher unbemerkt unter die Haut geht. Letztlich zeigt das Stück, wie stark Traditionen- gleich welcher Art- in jedem von uns inkorporiert sind und führt die Bequemlichkeit des Glaubens, ohne zu hinterfragen, vor Augen.

Der Applaus war nicht enden wollend und dem Publikum nach zu urteilen, hätte auch das Stück demgemäß sein sollen- nicht endend. (Ein erfreulicher Ausblick: „The Who and the What“ ist im Herbst wieder im Schauspielhaus zu sehen.)

Von Katja Heine

Mit 14 hat man noch Träume.

In „Der Pakt“ gibt Regisseurin Uta Plate jungen Flüchtlingen und heimischen SeniorInnen eine Stimme. Ausgehend von der Frage „Was macht uns aus und warum?“ werden die jeweiligen Lebenswelten in mehreren Sprachen spielerisch verhandelt. Das Ergebnis, ein Projekt des Kunstlabor Graz, ist noch bis zum 11. Juni im Redoutensaal zu sehen.

Bilder von zerbombten Häusern auf einer Leinwand, die einer Bahnhofshalle mit sechs Ausfahrtsmöglichkeiten weichen. Züge rattern durch das Bild und verschwinden wieder hinter filigran gezeichneten Türen. Beinahe willkürlich scheint ein Zug die Tür mit der Aufschrift Graz genommen zu haben. „Ihre Papiere bitte!“ Das Eröffnungsstück nimmt das Motto des DramatikerInnenfestival „Rede!“ wörtlich. Denn genau das passiert über weite Teile des Stückes, zwei Mikrofone stets als wichtigste Requisiten zentral auf der Bühne.

Was spielerisch als Quiz oder Versteckspiel getarnt ist, entspricht einem ständigen Dialog zwischen zwei Mannschaften, bestehend aus acht Flüchtlingen vs. sechs österreichischen SeniorInnen. Auf Fragen nach Werten, Religion und Lebenswelt kann es vermeintlich keine Sieger geben. Doch es gewinnen schließlich beide Mannschaften und zwar gegenseitiges Verständnis. Eine spielerische Annäherung, die nicht zuletzt durch die hervorragenden Deutschkenntnisse der jungen ProtagonistInnen möglich wird.

Das Stück bietet Raum für Interpretation, ist manchmal verträumt infantil und trotzdem politisch. „Mit 14 hat man noch Träume.“ Ein Klassiker von Peggy March wird kurzerhand umgeschrieben und dient als Vorlage für persönliche Anekdoten. Es ist aber auch eine Anspielung darauf, dass sich viele erwachsene Flüchtlinge bei ihrer Ankunft als minderjährig ausgeben, um bessere Chancen auf Asyl zu haben.

Wie soll man sich in Österreich integrieren und sich etwas aufbauen, wenn man immer „AusländerIn“ bleibt? Wer Österreich mitgestalten will, braucht die nötigen Beziehungen. Dessen scheinen sich die jungen SchauspielerInnen bereits nach wenigen Monaten hierzulande bewusst: „Entschuldung, wozu braucht ihr uns?“ Offenbar in erster Linie dazu, um sportliche Erfolge „für Österreich“ zu erzielen.

„Der Pakt“ wirft immer wieder politische Fragen auf, die jedoch nur oberflächlich beantwortet werden. Dadurch behält das Stück seine Leichtigkeit und seinen Humor. Regisseurin Uta Plate zeichnet das Bild eines positiven, pluralistischen Miteinanders.

Weitere Termine: 7., 8., 9., 11. Juni 2018, um 19:30 Uhr im Schauspielhaus Graz

Von Cornelia Knabl

Spaziergang im Kongo

Ganz im Sinne des Themas: REDE! steht Mission von David van Reybrouck. Das Haus 1 im Schauspielhaus mit ungewohntem Publikumsraum; 1 Rednerpult, 1 Schauspieler und genauso viel Stille wie Lachen. Die ungewöhnliche Lebensgeschichte eines Mannes der es sich zur Aufgabe gemacht hat Liebe dorthin zu bringen wo sie am dringendsten gebraucht wird.

Die Geschichte von Andrej (Bruno Vanden Broecke) ist eigentlich einfach. Er fühlt sich dazu berufen Priester zu werden. Nicht nur Priester, sondern Missionar. Missionar im Kongo. Und jetzt, nach über 50 Jahren Missionsarbeit steht er da und erzählt. Von Motorradfahrten in der Savanne, von der Fußballmannschaft mit der er 80 Kilometer Straße gebaut hat. Das eine Mal als sie mit dem Boot an einem einsamen Strand gestrandet sind. Aber auch vom Aberglauben, von Gewalt und von NGO Mitarbeitern die nicht verstehen was er eigentlich macht. Wenn so etwas passiert geht er spazieren.

Aber da ist noch mehr. Andrej berichtet von dem Schmerz, dem Leid und der Angst die die Menschen mit denen er arbeitet Tag täglich begleitet. Nicht als Appell oder Aufforderung, sondern als schlichte Wahrheiten, die Wahrheiten des Kongos die es nicht bis Europa schaffen. Wie etwa, dass kaum ein Mensch älter als 43 wird, weil Krieg und Hunger jeden Tag Menschenleben kosten.Aber nicht nur die Geschichten aus dem Kongo machen den Abend fesselnd – sondern gerade der Kontrast zwischen dem was er von seinen zahlreichen Heimatbesuchen in Brügge zu berichten weiß, die auf einmal so banal klingen. Die Politik in Belgien oder das neue Badezimmer der Nachbarn.

Das Wort emotional ist wohl zu klein um zu beschreiben, was Regisseur Raven Ruëll uns mit dem Text von David van Reybrouck vorsetzt. Seit mehr als zehn Jahren spielt Bruno Vanden Broecken nun Andrej und auch wenn deutsch nicht seine Muttersprache ist, so wirkt es fast noch ergreifender, wenn der Mann auf der Bühne nach Worten ringt, um das zu greifen, was er unbedingt mitteilen will.

Das Publikum ist hin und her gerissen zwischen Lachen und dem Lachen, dass im Hals stecken bleibt. Die Raum ist mit Worten so gefüllt, dass es kein Bühnenbild braucht. Da ist es fast schade, dass am Ende die Zuschauer überrumpelt werden mit Effekten, die der Text nicht nötig hat. Entlassen wird der Zuschauer mit vielen Antworten, aber auch mit Fragen die er sich vorher noch nicht gestellt hat. Warum schauen wir weg? Brauch ich ein neues Badezimmer, wenn es Menschen gibt die keine Wände an ihrer Hütte haben? Anstatt mich zu streiten – sollte ich vielleicht einfach spazieren gehen? Eine berührende Geschichte, die zum Nachdenken anregt und uns getreu des Festivalmottos REDE! hoffentlich zum Reden bringt.

Von Anatina Riester

Worüber müssen wir reden?

Lieber Tomer Gardi, worüber müssen wir reden?

“Worüber müssen wir heute reden?” Ich lese die Frage und fühle mich betrogen, weil sie voller Fallen steckt. Wer ist dieses „wir“, welches da angenommen wird? Und was ist mit „reden“ gemeint? Die lautliche Äußerung unter Einbeziehung von Lunge, Stimmbändern und Mund, oder eine mittels Laptop und Fingern? Und was ist „heute“: Freitag, der 11. Mai 2018 oder die Gegenwart, das Verlängerte Jetzt? Es ist alles so unsicher. Alles so unzuverlässig. So verwirrend. Und Welt ist so voll davon, voll von Gerede. Reden! Niemals in der Geschichte gab es so viel davon. Was wir tun müssen, ist tanzen und singen und vögeln. Hast du Lust dazu?“

Tomer Gardi ist ein israelischer Autor. Sein Stück „Broken German“ ist am 8. Juni um 18 Uhr beim DRAMATIKER/INNENFESTIVAL zu sehen. Der Autor ist auch beim anschließenden Nachgespräch anwesend. Außerdem wird er beim Nachgespräch von „Auf dem Weg ins Paradies“ dabei sein.

Worüber müssen wir reden?

Lieber Emilio García Wehbi, worüber müssen wir reden?

„Wir müssen heute über die gleichen Themen reden wie gestern, um im Hinblick auf die Zukunft nicht die Erinnerung zu verlieren an das, was in der Vergangenheit geschehen ist. Die Menschheit trägt auf ihrem Rücken einen riesigen Stein, auf dem alle zukünftigen Probleme verewigt sind; Probleme, die schon immer und in jeder Epoche neu wie ein Orkan, eine Bestie, ein Hochwasser, ein Wirbelwind aus der Vergangenheit zurückkamen, um uns zu befragen. Es sind die gleichen Probleme wie immer, nur aktualisiert, weil wir in unterschiedlichen Zeiten leben. Die Geschichte gleicht den Beziehungen innerhalb einer Familie: Die dunklen Familiengeheimnisse werden von Generation zu Generation weitergegeben, wenn sie nicht gelöst werden. Und womit haben wir uns unterdessen beschäftigt? Fast ausschließlich damit, der Angst und dem Horror Denkmäler zu errichten.“

Emilio García Wehbi ist ein argentinischer Autor und Schauspieler. Er hat für das DRAMATIKER/INNENFESTIVAL einen Text „Medeas Klage“ geschrieben. 

 

Worüber müssen wir heute reden?

Liebe Ebru Nihan Celkan, worüber müssen wir heute reden?

„Wir müssen über radikale Hoffnung reden und wie diese gleichzeitig unsere Gegenwart und Zukunft gestaltet. Wir müssen über die wahren Gründe unserer Hoffnung reden, die “sein” und “tun” enthalten und das Gerede für eine Zeit lang verstummen lassen. Wir müssen über Kreativität reden. Ihr wisst: die wahre übermenschliche Kraft, die wir immer und immer wieder erzeugen müssen. Wir müssen über über unsere besten Freunde reden: Geschichten; darüber, wie Geschichten uns verändern und wie sie die Gesellschaft verändern. Wir müssen auch über die Vorstellungskraft reden, denn wir sollten uns vorstellen, was wir wollen anstatt darüber zu reden, was wir nicht wollen. Wir müssen über die Veränderung in unseren Köpfen reden, die stattfinden muss, damit wir von Leidenden zu Leidenschaftlichen werden. Wir müssen über flexiblen Widerstand reden, Solidarität, die Kraft der Minderheit und in welcher Form man der Macht die Wahrheit sagen kann. Und zur freundlichen Erinnerung: Wir müssen all dies mit verschiedensten Gruppen bereden. Den wenn wir daran glauben, dass eine andere Welt möglich ist, müssen wir sie erträumen, erschaffen und leben.“

Ebru Nihan Celkan ist eine türkische Dramatikerin. Sie wird am 6. Juni bei der SCRATCH NIGHT lesen und am 7. Juni bei der Veranstaltung „Auf dem Weg ins Paradies“ dabei sein.