„Fischer Fritz“, ein zeitgenössisches Sprechstück von Raphaela Bardutzky, das im Schauspielhaus Graz am 22.06.2023 uraufgeführt wurde. Es ist geprägt von Wehmut, Schuld und höchst-gelungener Sprachkunst.
„Was soll werden, wenn nichts mehr wird?“, diese Frage stellt sich Fritz, Fischer dritter Generation, dieser nach einem Hirnschlag nicht mehr störungsfrei reden und überhaupt nicht mehr fischen kann. Er möchte heim, nicht in ein Heim, einfach nur heim. Sein Sohn Franz, verkörpert durch Sebastian Pass, organisiert eine ukrainische Pflegekraft, Uljana, gespielt von Alina Danko, für ihn. Gemeinsam stellen sie sich den Hürden des alt werdens, der Pflegekrise und der Ausbeutung des Pflegepersonals des Ostens.
Das Bühnenbild vereint Darsteller und Publikum. Die Zuschauer:innen nehmen an einem großen, ovalen Tisch Platz, der von drei Glühbirnen beleuchtet wird. Die Schauspieler bewegen sich frei im Raum und setzen sich abwechselnd zum Publikum, an den Tisch. Dies verleiht das Gefühl, im selben Boot zu sitzen und die Gefühle, wie Anspannung, Angst und Unsicherheit hautnah zu spüren. Die Überforderung der jungen Generation, Konflikte zwischen den Generationen, Hitzewelle und das Sinken der Pegelstände der Flüsse lassen nicht nur die Forellen verzweifelt nach Luft schnappen, sondern auch das Publikum. All diese privaten und ökologischen Herausforderungen werden spielerisch und mit großer Sprachkunst wiedergegeben. Es besteht ein kontinuerliches Pendel zwischen Sprache und Sprachlosigkeit. Es scheint, also ob die schwierigsten und kompliziertesten Wörter ironischerweise für die Rolle der Uljana ausgewählt wurden. Reime, Wortspiele, Dialektwörter wie „Divan“ oder „Grießnockerlsuppn“ – nichts wird vorenthalten. Große Sprechartistik, die selbst für jede deutsche Muttersprachlerin herausfordernd wäre, aber von Alina Danko großartig gemeistert wird. Der Sohn, Franz, ist charakterisiert durch sein Raunzen oder seinen humorvollen Sprachgebrauch, zum Beispiel wenn er den Herrgottswinkel als „Herrgott mit Sixpack“ beschreibt. Immer wieder schafft er es somit, das Publikum bei Laune zu halten und etwas Leichtigkeit in die Atmosphäre zu bringen. Allerdings kommt es im Gespräch zu seinem Vater immer wieder zu Kurzschlüssen. Blitzartigen Austäuschen. Die Spannung ist am Höhepunkt. Der Sprachstrom ist unruhig und schwankt, wie der Wasserspiegel am See, kurz bevor ein Unwetter auftritt. Fritz wiederum kämpft mit der Sprache, um Wörter. Er kommuniziert mit dem Publikum und den anderen Darsteller:innen, ohne wirklich viel zu sagen: seine Körpersprache und Blicke, sprechen Bände. Seine Gedanken werden oft als Audio eingespielt, als ob man einen direkten Eiblick in seinen Kopf hätte. Ängste, Sorgen und die Befürchtung, eine Last zu sein werden spürbar nah gebracht und wiederholen sich immer wieder, wie ein Teufelskreis und mit jedem Mal wird ein noch bedrückenderes Gefühl ausgelöst.
Alle drei Darsteller:innen leisten eine schauspielerische, sprachliche und körperliche Meisterleistung, da sie ihre Monologe sehr konkret liefern und diese mit der authentischen Körpersprache untermauern. Sie steuern eine Achterbahn voller Gefühle bei jener kaum ein Auge des Publikums trocken bleibt. Eine direkte Antwort auf die Frage, was werden soll, wenn nichts mehr wird, gibt es nicht. Aber man soll reden und zuhören. Und vor allem: sich dabei ins Gesicht schauen.
„Fischer Fritz“, ist höchste Sprachpoesie und dennoch eine tiefgründige Inszenierung von Julia Skof, die die drei Figuren trotz ihrer unterschiedlichen Lebenserfahrungen in einer ruhigen und aussagekräftigen Sprachmelodie vereint und auf ein brennendes, aktuelles Thema aufmerksam macht.
Von Katharina Stern