Im Parlament ist alles Käse

„Du wirst ein Star werden“, verspricht die egozentrische Journalistin dem interviewten Flüchtling während sie sich selbst immer wieder in Szene setzt. Angelangt im Jahrhundert, in dem BloggerInnen als Sprachrohr der Gesellschaft funktionieren, regiert die Mediengeilheit über die Menschenwürde. Die Art und Weise wie im Social Media-Zeitalter Geld verdient wird, ist klar: Überhäufe die Masse mit Skandalen, Hashtags und Unnötigem. #BrandLondon #Europa #Käse

Schon bevor das Haus Zwei im Grazer Schauspielhaus betreten wird, sind in „Rest of Europe“ Lüftungs- und Herzklopfgeräusche zu hören. Am Boden liegen blaue Industrieschläuche, unter welchen die drei SchauspielerInnen (Matthias Lodd, Mercy Dorcas Otieno, Tamara Semzov) versteckt sind. Das von Prisca Baumann erschaffene industrielle Umfeld, weist auf den unendlichen Prozess der Europäischen Union sowie auf deren maschinelle Art hin. Durch spielerische Verwendung werden die Schläuche einmal zu Handschellen, einmal zum Schleier einer Wahrsagerin und schlussendlich zum Hintergrund der europäischen Flagge.

Zu Beginn steht das Europa-Parlament mit Mehrsprachigkeit und Meinungsverschiedenheit im Fokus. Verdeutlicht wird der Gedanke der Zusammengehörigkeit der EU mittels drei, am Rücken zusammengenähter Sakkos, in denen die Darstellenden stecken und wie die Medien um die alleinige Aufmerksamkeit kämpfen. Zwischendurch erzählt und rappt Traian seine Erfahrungen als Kellner im Parlament. Es graust ihm nicht nur vor der standardisierten Dienstkleidung, welche ihn entmenschlicht, sondern auch vor dem verschwenderischen Lebensmittelverbrauch. Egal ob im Restaurant oder in den Besprechungsräumen – im Parlament ist alles Käse.

In „Rest of Europe“ richtet die Autorin Nicoleta Esinencu den Scheinwerfer auf verschiedene Problemsituationen in unterschiedlichen Ländern, welche eine Vielfalt an möglicher Besprechungsthemen aufzeigt. Diese Reflexionen der europäischen Situation werden von den SchauspielerInnen mit vollem Körpereinsatz erzählt und unter der Regie von Nina Gühlstorff spannend inszeniert, obwohl dramaturgische Kürzungen möglich wären. Wie glanzvoll zeigt sich zB. die britische Regierung, als sie den überlebenden Opfern vom Brand im Grenfell Tower vor einem Jahr, Luxuswohnungen zur Verfügung stellt. Allerdings mit der Bitte die Hintertür zu verwenden, da sie nicht dieselben Rechte wie die zahlenden Mieter haben. Kein Wunder, dass die Sterne der Europaflagge am Schluss wackeln.

Von Felicitas Pilz

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