Glaube zu hinterfragen

Islam und Glaube verbunden mit der Geschichte einer sich liebenden Familie: Das Ergebnis ist „The Who and The What“ von Ayad Akhtar, das unter der Regie von Jan Stephan Schmieding am Grazer Schauspielhaus aufgeführt wurde.

Die eine Tochter mit Liebeskummer und Schreibblockade, die andere in Hochzeitsplanung mit ihrem Freund, doch Schwärmerei für ihren Tutor. Ein Vater am Glasfaser-Puls der Zeit, der das Beste für seine Töchter will. Soweit eine eher vertraute familiäre Situation. Indem Ayad Akhtar die Islamdiskussion in eine Familiengeschichte einbettet, mit der sich viele identifizieren können, macht er das Thema zugänglicher. Feinfühlig und humorvoll zeichnet der Autor vier Charaktere, deren Einstellungen zum Glauben unterschiedlicher kaum sein könnten. Zarina (Henriette Blumenau), die ältere Tochter, eine selbstbewusst-feministische Muslimin, arbeitet an einem kritischen Buch über den Propheten. Ihre jüngere Schwester Mahwish (Tamara Semzov) sucht nach Schlupflöchern in einem strengen Glauben und nach Rat bei Zarina. Der Vater Afzal (Stefan Suske), ein gläubiger Muslim, lebt aber zerrissen zwischen Liberalität und strenger Religiosität. Das wird auch in einem kleinen Detail im Bühnenbild (Frank Holldack) widergespiegelt, das ansonsten mit türkisen Polstermöbeln im 60er-Jahre Stil recht schlicht gehalten ist: Eine halbvolle Flasche Cognac steht am Sideboard. Einerseits sehr wertkonservativ, verbot Afzal seiner Tochter die Heirat eines Andersgläubigen. Andererseits sehr modern, und um seinen Fehler wieder gut zu machen, sucht er auf einem Online-Dating-Portal nach einem neuen Mann für Zarina. Den findet er schließlich in Eli (Nico Link), einem konvertierten Muslim, der sie bewundert und unterstützt. Die unterschiedlichen Haltungen der Charaktere prallen im Stück oft aufeinander und gipfeln in der Veröffentlichung von Zarinas Buch, welche die Familie in Chaos stürzt. Der Schluss bleibt offen: zwar scheint er versöhnlich, doch bleibt unklar, inwieweit die Figuren zum Überdenken ihrer Einstellungen bereit sind.

„The Who and The What“ behandelt ein heikles Thema mit Leichtigkeit, Selbstironie und viel Hintergrundwissen. In Nebensätzen werden ganze Geschichten erzählt und Gänsehaut erzeugt. In einigen Situationen kann das Publikum die entstandene Spannung mit einem Lachen lösen. Das Stück regt zum Nachdenken an, ohne zu belehren. Vor allem animiert er mit der speziellen Wahl seiner Figuren und der Umstände, sich in die Charaktere hineinzufühlen.

Die Nähe zur Bühne und den Schauspielern im Haus 2 ist von Vorteil: Der Zuseher wird in die Privatsphäre der Charaktere hineingezogen und kann direkt am intimen Familienleben teilhaben. Auch eine schauspielerische Herausforderung – jede Mimik und Gestik ist sichtbar- die von den vier Darstellern exzellent gemeistert wurde. Sie erweckten die Figuren auf der Bühne zum Leben. Mancher Wortwechsel mutet eventuell als Small Talk an, doch: In diesem Stück hat jedes Wort Gewicht. Ayad Akhtar überbringt seine Message subtil, sodass sie dem Zuseher unbemerkt unter die Haut geht. Letztlich zeigt das Stück, wie stark Traditionen- gleich welcher Art- in jedem von uns inkorporiert sind und führt die Bequemlichkeit des Glaubens, ohne zu hinterfragen, vor Augen.

Der Applaus war nicht enden wollend und dem Publikum nach zu urteilen, hätte auch das Stück demgemäß sein sollen- nicht endend. (Ein erfreulicher Ausblick: „The Who and the What“ ist im Herbst wieder im Schauspielhaus zu sehen.)

Von Katja Heine

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