Sieben Mädchen, eine Klassenfahrt – und ein großer Skandal. Tanja Šljivar rollt in „Die Draufgängerinnen (All Adventurous Women Do)“ ein Medienereignis aus 2014 neu auf: In der Regie von Salome Dastmalchi entwickelt sich das Gastspiel des Jungen Deutschen Theaters Berlin zu einem Abend, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt und dennoch lieber schweigt.
Sieben in orange Overalls gehüllte Teenager bewegen sich auf einer kleinen, steril weißen Bühne. Der Kontrast? Der könnte krasser nicht sein. So wie auch der in ihren Leben, die damals noch anders waren. Damals, vor der Klassenfahrt. Damals wurden heimlich Zigaretten geraucht, heimlich über die erste Liebe geredet, heimlich über das erste Mal fantasiert.
Heute sind sie zurück. Heute halten sie „in der rechten Hand die Zigarette, in der linken den Schwangerschaftstest“. Ana (Peter Steden), Ena (Eren Gündar), Ina (Livia Marlene Wolf), Ona (Marthe Müller Lütken), Una (Chenoa North-Harder), Lea (Emmi Büter), Mia (Bruno Liebler) sind schwanger, positiv. Zwischen damals und heute: fünf Tage. Fünf Tage, und „keine kann sich genau erinnern, wie DAS war, mit wem DAS war, warum DAS war“.
„Papa où t’es?“
Das Stück bringt 90 Minuten Ungewissheit und die stete Frage nach dem WARUM, die bis zum Schluss nie beantwortet wird. Basierend auf einem medialen Skandal aus dem Jahr 2014, bei dem sieben bosnische Teenager schwanger von einer Klassenfahrt zurückkehrten, lässt die Regisseurin das Grundgerüst der Handlung angelehnt an das Original und stellt sieben junge Personen auf die Bühne, die selbst noch nicht viel vom Leben wissen, jedoch bereits ein neues in sich tragen. Die weiße Bühnenverkleidung (Ausstattung: Paula Wellmann) ist mit Hashtags bedruckt und wird im Laufe des Abends mit Penissen und obszönen Wörtern bemalt – wie man das eben so macht auf Klassenfahrt. Bei der anfänglichen Stricherlliste, wer denn der Vater sein könnte, wird noch viel gekichert. Passend dazu schallt Stromaes „Papaoutai“ aus den Lautsprechern, so wie Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“.
Das Publikum sieht die sieben Teenager bei der Schwangerschaftsgymnastik und beim Vorbereitungskurs, bei dem sie an ihren Alter Egos in Barbiepuppen-Form den richtigen Umgang mit Kindern üben. Teenager und Barbies, Teenager und Sex. Welch Ironie. Gefragt werden sie niemals, nicht auf der Straße, nicht vom Arzt, nicht von den Eltern, nicht in der Schule, nicht vom Publikum. Das Thema – ein Tabu. Wie soll denn das gehen, es sind ja schließlich noch Kinder, werden die langsam rund werdenden Bäuche leichtfertig aus der Welt gelacht. Am Ende ist dann jedoch keinem mehr nach Lachen zumute.
Dastmalchis Inszenierung wird durch das großartige schauspielerische Talent des jungen Ensembles zu einem kurzweiligen Abend mit hintergründiger Tiefe. Die AkteurInnen beeindrucken mit starkem, authentischem Spiel und vermögen es, die heikle Thematik in jenem Schweigemantel zu servieren, der seitens der Gesellschaft nur mit Samthandschuhen angefasst wird. Denn am Ende „hat noch niemand jemals gefragt“.
Katharina Hoi