Mit ihrem Programm Black Off nützen Ntando Cele und ihre schweizer Band den Grazer Dom im Berg als Bühne zum Kampf gegen Rassismus und Vorurteile.
Ein – mit weißem Licht hell beleuchteter – Schminkspiegel, der an vergangene Hollywood-Zeiten à la Marilyn Monroe erinnert, strahlt von der Bühne herab. Was danach kommt, kann durchaus als Hollywood-reife Leistung bezeichnet werden: Ntando Cele – alias Bianca White – betritt die Bühne und der Name ist hier Programm: Weiß, wohin das Auge reicht – vom asiatischen Kimono über die blonden Haare bis zur mit weißer Schminke bemalten Haut, die die afrikanischen Wurzeln bestmöglich verdecken soll. Sich selbst als Afropolitan – also ein Mensch aus Afrika, der die Welt ohne schäbiges Boot bereist – bezeichnend, ist sie stolz darauf, ihre inner whiteness gefunden zu haben. Doch, wie im richtigen Leben, kann auch Bianca White ihre wahre Identität nicht auf Dauer leugnen und so verwandelt sie sich im zweiten Teil in ihr Alter Ego, Vera Black, die als Punk-Rockmusikerin im Leder-Nieten-Body das genaue Gegenteil vom meditierenden, Prosecco trinkenden Gutmenschen Bianca ist und ihren weißen Mitmenschen unverschont ehrlich sagt, was sie von ihnen hält – nämlich nichts.
Die gebürtige Südafrikanerin Ntando Cele spielt in ihrem Bühnenprogramm Black Off mit allgegenwärtigen Stereotypen und alltäglichen, rassistischen Spitzfindigkeiten. Die Verschiedenheit der zwei Identitäten, die in ihr wohnen, zieht sich durch sämtliche Ebenen hindurch. Während der erste Teil durch überladene Kostüme und Maske gekennzeichnet ist, prägt nach der Pause Schwarz das Bild. Unterstützt wird dieses Konstrukt der Antithese von einer grandiosen Band: Patrick Abt (Gitarre und Sidekick), Pit Hertig (Schlagzeug) und Simon Ho (Piano) entführen das Publikum mit ihren Klängen anfangs in einen Jazz-Club, um am Ende bei einem Rock-Konzert mit kritischen Tönen zu landen. Der zentrale Bruch beginnt kurz vor der Pause, als die Metamorphose einsetzt: Die überladene Schminke wird auf der Bühne abgewischt und das gesamte, maskenlose Gesicht der Darstellerin in seinen Einzelheiten via Kamera dargestellt.
Im Verlauf des Abends wird das Repertoire an Klischees und Vorurteilen gegenüber den angeblich weißen, intelligenten und kultivierten Europäern sowie den als dumm, ungebildet und versklavt dargestellten Afrikanern bis aufs Letzte ausgeschöpft. Da kann es nur als logische Schlussfolgerung angesehen werden, dass ein dunkelhäutiger Mann aus dem Publikum auf die Bühne geholt wird, um der weißen Bianca White dienerartig das Mikrofonkabel zu tragen. Auch die anschließende Aufforderung Imagine, there are just white people around us! dürfte ihn vor keine große Herausforderung gestellt haben und sorgt für Lacher im Publikum, die einem bei genauerem Nachdenken jedoch im Halse stecken bleiben.
Wie heikel das Thema in Wahrheit nämlich ist, zeigt sich, als sich Bianca White direkt an die ZuschauerInnen wendet und die Frage stellt: How do you call black people in Austria? – Die Antwort: Stille. Auch die Videosequenzen und Fotos, die über eine Leinwand eingespielt werden, regen zum Nachdenken an: Warum nicht von einer Welt träumen, in der es keine Hautfarben gibt, in der alle einfach das sind, was sie sind – nämlich Menschen? Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass im Grunde alles doch sehr einfach wäre, wenn man sich endlich von alteingesessenen Mustern und Konventionen lösen würde – die Tatsache, dass für diesen Satz auch im Jahr 2019 noch der Konjunktiv verwendet werden muss, ist jedoch bezeichnend.
Ines Hölzl, Iris Liebminger