Sandra und Kassandra spielen zu zweit auf einem Akkordeon. Eine trägt einen Hut, der aussieht wie eine goldene Walnuss, die andere brüllt entsetzt „Du hast ‚Darm mit Charme‘ nicht gelesen!?“
Manchmal benutzen wir Wörter, deren Bedeutung wir nicht genau kennen, um fotosynthetischer zu wirken. Das macht keinen Sinn? In solchen Gesprächen haben sich viele wohl bereits selbst erwischt: wir wollen besonders wortgewandt und intelligent wirken, um den Eindruck zu erwecken, wir hätten einen Plan. Doch wir haben alle manchmal einfach keine Ahnung, wovon wir gerade reden. Also: „Hören Sie auf zu tun als würden Sie irgendetwas wissen!“
In „Keine Ahnung“, einer Produktion von uniT Graz und Sophiensäle Berlin, bringt Regisseurin Nele Stuhler eine meta-philosophische Zeitreise auf die Bühne des Theater am Lend. Von der Entstehung des Universums über die Steinzeit und rund um kluge Köpfe der Antike – Sandra (Paula Thielecke) und Kassandra (Sarah Gailer), führen in drei „Vorlesungen“ durch den Abend:
1. „Was man weiß“ – nichts weiß man sicher
„2. Was man nicht weiß“ – alles andere eben
und „3. Was jetzt noch kommen soll“ – Keine Ahnung.
Sandra, die für das „Nicht-Verstehen“ steht, muss irritierende Befehle ihres Gegenpols Kassandra ausführen: „Finden Sie Anschluss zu einer Urhorde!“ Sandra, im Moment in der Steinzeit befindlich, muss mit den Einrichtungsgegenständen eine Familienstruktur bilden. Wenn sie sich weigert, sich mit den Einzelteilen der rot-orangen „100% Antike Säule made in Troja“ zu unterhalten, wird die Aufforderung so oft wiederholt, bis Sandra sie ausführt. Dabei wird das Geschehen zusätzlich von fun-facts über die Produktion des Stücks begleitet, die über den Köpfen eingeblendet sind und regelmäßig für Gelächter im Publikum sorgen.
Die beiden Schauspielerinnen trotzen der Hitze im Saal und erfrischen das Publikum mit Power und Witz. Wenn plötzlich „freihändig“ Akkordeon gespielt wird, eine goldene Riesenwalnuss als Gehirn-Hut getragen, oder über Polly-Pocket und die Sitzposition beim Stuhlgang (lesen Sie unbedingt „Darm mit Charme“!) philosophiert wird, verschwimmen die Grenzen von Ahnung und Wissen – keine Ahnung und Unwissen. Und im Laufe des Abends wird klar, die zu Beginn überlegene Kassandra, ist in Wahrheit Sandra gleichgestellt.
Wenn man angestrengt versucht, die vielen Meta-Ebenen des Stücks zu verstehen, scheint es, dass es im Sinne des Konzepts liegt, den Zuschauer verwirrt zurückzulassen – man hat eben keine Ahnung.
Chiara Šarko